Interview : Jess Jochimsen
In der Blog-Reihe energieheld fragt – Experten antworten, interviewt energieheld regelmäßig Experten und spannende Personen aus den verschiedensten Bereichen der Energiewende.
Diverse wichtige Punkte zur Technik, zum alltäglichen Umgang mit Energie oder zur aktuellen energiepolitischen Lage werden angesprochen. Anschließend wird ein Ausblick auf Trends sowie Tipps, wie im Alltag etwas für die Umwelt getan werden kann gegeben. In der Reihe kommen Blogger, Politiker, Unternehmen, Prominente und viele mehr zu Wort.
Zu Gast: Jess Jochimsen
Jess Jochimsen ist seit 1992 als Kabarettist in Deutschland unterwegs. Jess Jochimsen ist bekannt durch Auftritte im Quatsch Comedy Club und Scheibenwischer.
Er hat mehrere Bücher und Bildbände bei dtv veröffentlicht. Jess Jochimsen wurde u. a. mit dem Deutschen Kabarettpreis ausgezeichnet. Neben seinen Aktivitäten als Kabarettist moderierte er auch mehrmals die Preisverleihung des Vereins SolidarEnergie aus Freiburg. Der Verein verleiht den „Preis der Solidarenergie“ an gemeinnützige Organisationen und Einzelpersonen.
Thema: Öko im Alltag
„Ich bin (wie jeder halbwegs vernunftbegabte Mensch) ein Verfechter erneuerbarer Energien.“
energieheld: Hallo Herr Jochimsen, schön dass Sie sich Zeit genommen haben. Sagen Sie, welchen Stromanbieter haben Sie zurzeit? Beziehen Sie Ökostrom?
Jess Jochimsen: Ja, ich beziehe Ökostrom – bei der EWS, den Schönauer „Stromrebellen“.
energieheld: Ökologisches Bewusstsein ist ein Trend Thema. „Ökos“ sind längst nicht mehr nur Protestler mit Gesundheitslatschen, die Konsumverzicht predigen, sondern hippe Großstädter aus Berlin oder Hannover. Können wir mit dieser Einstellung etwas zur Energiewende beitragen?
Jess Jochimsen: Natürlich können wir das; es ist nicht besonders schwer nachzuvollziehen, dass der „Öko“ (ungeachtet aller Trends) mehr zur Energiewende beiträgt als der fleischessende Vielflieger, dem seine Umwelt egal ist.
energieheld: Sind Sie ein „Wahlfreiburger“, das bedeutet Sie haben sich bewusst für Freiburg entschieden, der Reiseführer von Martin Frey sagt über Freiburg, es sei die Wiege der Erneuerbaren Energien in Deutschland. Wie kommt das? Sind Sie besonders „Grün“, trennen Sie den Müll ganz ausgezeichnet oder sind Sie einfach ein Verfechter der Solarenergie?
Jess Jochimsen: Eine Frage nach der anderen … Also „besonders Grün“ bin ich sicher nicht, da hier eine parteipolitische Konnotation mitschwingt und es hinreichend gute Gründe gibt, sich von Politik und Programm der GRÜNEN nicht vertreten zu fühlen. (Bevor Sie fragen: Das gilt für alle anderen Parteien genauso.) Weiter: Ja, ich trenne meinen Müll, versuche aber in erster Linie wenig davon zu machen. Nochmal ja, ich bin (wie jeder halbwegs vernunftbegabte Mensch) ein Verfechter erneuerbarer Energien. Und nein, ich bin vor über 20 Jahren zum Studium von München nach Freiburg gezogen und der Liebe wegen hier geblieben. Dass die Stadt eine „Öko-Stadt“ ist, war nie ein Grund, hierherzuziehen oder unbedingt hier zu bleiben – sehr wohl aber: Man kann hier ein gutes Leben führen.
energieheld: Wie intensiv setzen Sie sich mit dem Thema erneuerbare Energien auseinander?
Jess Jochimsen: Ich denke da jetzt nicht täglich drüber nach; vielleicht, weil das Thema für mich längst schon in „Fleisch und Blut“ übergangen ist. Ich möchte kein Leben führen, das rücksichtslos mit Mitmenschen und Umwelt umgeht – das ist mit der Haltung „mir doch egal, wo mein Strom herkommt“ nicht zu vereinbaren.
Thema: Solidarenergie
„Die Idee ist einfach und prima.“
energieheld: Das führt uns zur nächsten Frage. Sie engagieren sich für den Verein Solidarenergie. Der Verein fördert ein ökologisches und klimafreundliches Wirtschaften sowie soziales Engagement. Wie passen Sie da rein?
Jess Jochimsen: Ich finde das schlicht und ergreifend spannend und unterstützenswert. Die Freiburger SOLIDARENERGIE ist ein Zusammenschluss aus EWS, Volksbank und dem VORDERHAUS/Fabrik; letzteres ist ein soziokulturelles Zentrum und meine „Stammbühne“.
Die Idee ist einfach und prima: Es werden Dächer gesucht, die für Photovoltaikanlagen geeignet sind, die EWS baut diese Anlagen auf diese Dächer, der erwirtschaftete Gewinn wird von der Volksbank verdoppelt und ausgeschüttet – an soziale, kulturelle, ökologische Vereine und Initiativen. Einmal im Jahr kriegen also Menschen, die sich samt und sonders für richtig gute Dinge einsetzen eine Förderung resp. den „Preis der Solidarenergie“. Dies geschieht im Rahmen einer sehr schönen „Preis-Gala“ auf der Bühne des VORDERHAUSES, die von mir moderiert wird.

© Achim Hehn
Thema: Energiepolitik
„Letztlich ist dies mein Hauptthema: Die Frage nach dem Widerstand und die Frage nach dem guten Leben.“
energieheld: Nehmen Sie auch energiepolitische Themen ins Programm auf?
Jess Jochimsen: Ich habe zwar unlängst eine etwas kafkaeske Kurzgeschichte geschrieben, in der ein Vertreter für Heizkörperverkleidungen die Verpfuschung seines Lebens der „Energiewende“ in die Schuhe zu schieben versucht, aber ansonsten kommen in meiner Kunst diese Themen eher nur am Rande vor.
Im aktuellen Bühnenprogramm FÜR DIE JAHRESZEIT ZU LAUT geht es im weitesten Sinn um „Leistungslärm“, „Wachstumsgedröhn“ und „Krisengekreisch“, es geht darum, wer es verdient hat, den Ton abgedreht zu bekommen, damit Raum ensteht für Geschichten, die ansonsten im Radau untergehen. Die wichtigste dieser „Geschichten“ ist die von Melvilles Held „Bartleby“, einer wunderbaren, literarischen Figur, welche irgendwann alle Anforderungen und Befehle verweigert – mit dem einfachen, leisen, unumstößlichen Satz: ICH MÖCHTE LIEBER NICHT. Letztlich ist dies mein Hauptthema: Die Frage nach dem Widerstand und die Frage nach dem guten Leben.
energieheld: Haben Sie eigentlich eine Photovoltaikanlage auf dem Dach?
Jess Jochimsen: Leider nein. Das Dach ist denkbar ungeeignet dafür.
Thema: Fünf Tipps zum Thema Energiesparen
„Vertrauen Sie mir, es gibt ein Leben jenseits von Wachstum, Effizienz, Schnelligkeit, Konsum und Fremdbestimmung – es ist das bessere.“
energieheld: Wenn wir gemeinsam was für Nachhaltigkeit und die Energiewende tun wollen, dann sollten wir im Alltag damit anfangen. Können Sie unseren Lesern fünf ganz persönliche Tipps zum Thema Energiesparen geben? Das mit dem Standby-Schalter kennen wir schon
Jess Jochimsen: Die Moral am Schluss … Nun. Die zahlreichen Krisen der jüngeren Vergangenheit sollten eigentlich noch dem letzten klargemacht haben, dass wir so nicht weiterwirtschaften werden können; tiefgreifende Veränderungen werden kommen, die entscheidende Frage ist, ob „by desaster“ oder „by design“. Der Kampf für letzteres lohnt auf allen Ebenen, in allen Bereichen, und damit auch im Alltag.
Dann haue ich mal „Energiespar“Tipps raus, eigentlich ist es nur einer: Anfangen, selbst zu denken.
Sie wollen richtige Tipps? Bitte sehr:
- Kein Fleisch essen
- Auto abschaffen, nicht fliegen
- Keinen Scheiß kaufen; stattdessen: repair, recycle, reuse
- Sich mit guten Menschen umgeben, Widerstand gegen die bösen leisten
- Sehr großen Spaß haben an all dem und glücklich sein.
Und nein, ich befolge diese Tipps nicht alle und nicht immer. Aber immer mehr davon und immer öfter. Aus Verantwortung um die Welt? Nein. Oder, von mir aus, auch. Ich tue es aus eigener Verantwortung heraus. Mein Dasein wird nämlich tatsächlich toller dadurch. Vertrauen Sie mir, es gibt ein Leben jenseits von Wachstum, Effizienz, Schnelligkeit, Konsum und Fremdbestimmung – es ist das bessere.
energieheld: Lieber Herr Jochimsen, vielen Dank für das Gespräch.
es sind wie immer die kleinen Schritte, die die Welt ein bisschen besser machen. Jess Jochimsen hat uns ganz schön gezeigt, wie man sich im Alltag bewusst für die Energiewende einsetzt ohne dabei das Rad neu erfinden zu müssen. Wechseln Sie den Stromanbieter, kaufen Sie bewusst ein, überlegen Sie sich was Sie wirklich brauchen und lassen Sie einfach mal das Auto stehen. Denn, ganz philosphisch, bedeutet Energiesparen auch Entschleunigung des Lebens durch bewussten Verzicht auf Schnelligkeit.
Quellen:
Titelbild: © Albert J. Schmidt
Vorderhaus: © Achim Hehn