Smart Home-Profis treffen auf Sanierungs-Profis: tado° im Interview
In der Blog-Reihe energieheld fragt – Experten antworten, interviewen wir diesmal Christian Deilmann, den CEO von tado°, die smarte Heizungssteuerung.
Das Thermostat ist ein kleiner weißer Kasten, mit dem sich die Heizung zu Hause steuern lässt. Der Kniff, abhängig davon ob jemand im Haus ist. Nach Angaben von tado° lassen sich dadurch 31% Heizkosten einsparen. Dieses sogenannte Smart Metering interessiert uns von energieheld schon eine ganze Weile.
Höchste Zeit also für ein Experten-Interview.
Zu Gast: Der CEO von tado° Christian Deilmann
Christian Deilmann arbeitete vor tado° bei der Unternehmensberatung A.T.Kearney. Er hat Maschinenbau am MIT (Cambridge, Ma) sowie Maschinenbau und Management
an der TU München studiert. Seine Aufgabenfelder bei tado° sind Produkt, Produktion, Finanzierung, Vertrieb und Partnerschaften. Letzte Erfolgsnachricht: tado° konnte im
ersten Quartal 2016 seine Gesamtfinanzierung auf mehr als 50 Millionen Euro erhöhen.
Unsere Themen mit Christian Deilmann von tado°:
- tado°?
- Heizen heißt vor allem Energieverschwendung
- So funktioniert die tado° App
- Wann lohnt sich ein smartes Thermostat?
- So heizen wir in Zukunft
tado° ?
Das frische Kapital macht uns zu einem der weltweit finanzstärksten IoT-Startups
Sebastian Zahn (energieheld): Hallo Christian, schön dass Du da bist.
Christian Deilmann (tado°): Vielen Dank für die Einladung!
Sebastian Zahn (energieheld): Erst einmal herzlichen Glückwunsch zur erfolgreichen zweiten Finanzierungsrunde! Obwohl – nach Deiner Aussage, braucht ihr das Geld ja sowieso nicht… (Gründerszene, 26.04.2016)
Christian Deilmann (tado°): Danke! Für uns war das Kapital noch nicht unbedingt nötig, da wir aus der letzten Finanzierungsrunde noch Reserven hatten. Trotzdem freuen wir uns natürlich über das entgegengebrachte Vertrauen und darüber, dass so viel Potenzial in uns gesehen wird.
Das frische Kapital macht uns zu einem der weltweit finanzstärksten IoT-Startups (Anmerkung der Redaktion: Internet of Things) und hilft uns dabei unsere Marktführerschaft weiter auszubauen.
Sebastian Zahn (energieheld): Ihr seid Teil der Arbeitsgruppe “Pilotprogramm Einsparzähler” des BMWi. Wie ist es zur Zusammenarbeit gekommen?
Christian Deilmann (tado°): Das BMWi hat uns in der Vergangenheit bereits finanziell unterstützt und seit einem Jahr sind wir schließlich Mitglied der Arbeitsgruppe „Pilotprojekt Einsparzähler“.
Da wir seit fünf Jahren mit der intelligenten Heizungssteuerung eine neue Produktkategorie mitgestaltet haben, können wir zu leistungsabhängigen Fördermodellen in diesem Segment wertvollen
Input geben.
Das Pilotprogramm “Einsparzähler” ist so konzipiert, dass man mit steigenden Einsparungen von einer höheren Förderung profitiert.
Heizen heißt vor allem Energieverschwendung
Ein Drittel des weltweiten Energieverbrauchs entfällt auf das Heizen und Klimatisieren von Gebäuden
Sebastian Zahn (energieheld): Warum gerade der Heizungsmarkt?
Christian Deilmann (tado°): Die ursprüngliche Idee für die Entwicklung einer intelligenten Heizungssteuerung entstand aus einer alltäglichen Problematik heraus: Während meines Studiums in den Staaten hatten meine Mitbewohner und ich regelmäßig Diskussionen über die verschwendete Energie unserer Klimaanlage.
In Deutschland haben wir das gleiche Problem mit unseren Heizungen – entweder verschwenden wir Energie oder wir kommen in ein kaltes Zuhause. Um einen verantwortungsbewussten Umgang mit Energie ohne Komfortverzicht zu ermöglichen, haben wir eine intelligente Steuerung entwickelt, die sich an die Bedürfnisse ihrer Nutzer anpasst.
Sebastian Zahn (energieheld): Startups, die aus der Heizungsbranche kommen, sind in letzter Zeit regelrecht aus dem Boden geschossen. Ist der Heizungsmarkt der „Prenzlauer Berg des Handwerks“?
Christian Deilmann (tado°): Ein Drittel des weltweiten Energieverbrauchs entfällt auf das Heizen und Klimatisieren von Gebäuden und insgesamt über eine Milliarde Haushalte
haben eine Heizung oder Klimaanlage. Smarte Technologien können in diesem Bereich eine große Wirkung entfalten.
Unser Smartes Thermostat ermöglicht neben dem Komfortgewinn laut einer Studie des Fraunhofer-Instituts Einsparungen von bis zu 31 Prozent.
Sebastian Zahn (energieheld): Welche Potentiale siehst Du für die nächsten Jahre?
Christian Deilmann (tado°): Wir sind fest davon überzeugt, dass zukünftig jeder Haushalt eine intelligente Heizungssteuerung haben wird.
Eine aktuelle Studie von Frost & Sullivan prognostiziert, dass allein der europäische Markt für Smarte Thermostate bis 2019 auf 2,2 Mrd. Euro anwachsen wird.
Das Produktportfolio von tado° trifft den Nerv der Zeit.
Sebastian Zahn (energieheld): Bei dem Branchenriesen Google Nest läuft es nicht mehr so optimal. Was unterscheidet euch von Google Nest?
Christian Deilmann (tado°): Neben einem Thermostat, das die Heizung oder die Klimaanlage regelt, entwickelt Nest andere Produkte, wie intelligente Feuermelder oder Kameras. Wir bei tado° hingegen konzentrieren uns konsequent auf die Steuerung von Heizungs- und Klimaanlagen.
Hier entwickeln wir unsere Produkte kontinuierlich weiter, um die bestmögliche Lösung am Markt zu bieten.
Zudem zeichnen wir uns gegenüber Nest insbesondere im europäischen Markt durch unsere Kompatibilität mit 95 Prozent aller Heizungssysteme aus.
So funktioniert die tado° App
Bei tado° wird die Temperatur mit dem Smarten Thermostat in einem Referenzraum eingestellt.
Sebastian Zahn (energieheld): Wenn ihr neue Features für die App entwickelt, probierst du diese gleich bei Dir zu Hause aus? Wie testet ihr neue Features?
Christian Deilmann (tado°): Natürlich teste ich alle tado°-Neuheiten in meinem eigenen Umfeld, aber das reicht nicht aus. Wir haben im Laufe der letzten Jahre erfahrene und professionelle Mitarbeiterteams aufgebaut, die sich rund um die Uhr mit der Entwicklung und Optimierung unserer Sofware- und Hardware Systeme auseinander setzen.
Jedes Produkt und Feature wird dementsprechend vorerst Inhouse von uns getestet und genau unter die Lupe genommen. Zudem haben wir ein breites Netzwerk an ausgewählten Beta Testern, mit denen wir über einen längeren Testzeitraum in regelmäßigem Kontakt stehen.
Das Feedback wird analysiert und in unseren Entwicklungsprozess eingebunden.
Sebastian Zahn (energieheld): Lässt sich tado° überall installieren? Im Computer Bild Test von 2014 wurde erwähnt, dass eine Installation in einer Wohnung ohne Heizkessel bisher nicht möglich ist.
Christian Deilmann (tado°): Aktuell funktioniert das Smarte Thermostat von tado° nur bei Häusern und Wohnungen mit einer eigenen Therme.
Das ändert sich allerdings bald, denn schon im Herbst diesen Jahres launchen wir unsere Smarten Heizkörper-Thermostate, mit denen zukünftig auch Wohnungen ohne eigenen Kessel zu steuern sind. Somit kann tado° dann auch bei Zentralheizung oder Fernwärme genutzt werden.
Sebastian Zahn (energieheld): tado° setzt auf einen Referenzraum, um die richtige Temperatur zu ermitteln, oder? Heißt das dann, dass die Temperatur in den anderen Räumen unterschiedlich ist?
Christian Deilmann (tado°): Ganz richtig. Bei tado° wird die Temperatur mit dem Smarten Thermostat in einem Referenzraum eingestellt. Alle weiteren Räume werden im Verhältnis dazu reguliert.
Für eine unterschiedliche und exakte Temperierung verschiedener Räume kann das Smarte Thermostat bald auch mit den Heizkörper-Thermostaten ergänzt werden. Damit kann die Temperatur in jedem Raum präzise angepasst werden.
Sebastian Zahn (energieheld): Wie gleicht tado° trägere Heizungssysteme aus, wie z. B. eine Fußbodenheizung.
Christian Deilmann (tado°): Um auch bei trägeren Systemen, wie Fußbodenheizungen Energie zu sparen und überhöhte Raumtemperaturen durch Sonneneinstrahlung zu vermeiden, bezieht tado° die Wettervorhersage und die baulichen Gegebenheiten mit ein. Damit lernt tado°, wie die Fußbodenheizung reagiert. Zudem lassen wir die Wohnungen bzw. Häuser nicht komplett auskühlen; tado° berechnet automatisch die optimale Absenktemperatur für das Zuhause.
Diese niedrigere Temperatur hilft dabei Energie zu sparen, wenn niemand Zuhause ist.
Sebastian Zahn (energieheld): Kannst Du uns kurz erklären, wie tado° verhindert, dass das Haus heruntergekühlt wird, wenn die Person mit der App, das Haus verlassen hat? Hinweis: Die App ist auf den Smartphones aller Bewohner installiert.
Christian Deilmann (tado°): Über die Standortdienste des Mobiltelefons kann tado° die Temperatur automatisch an den Standort der Bewohner anpassen. So wird nur geheizt, wenn jemand zuhause ist und gespart, wenn man unterwegs ist.
Das System schaltet erst dann in den Absenkbetrieb, wenn der letzte Bewohner das Haus verlassen hat und beginnt vorzuheizen, sobald sich der erste Bewohner auf den Heimweg begibt. Je nach Entfernung zum Zuhause wählt tado° automatisch eine sinnvolle Absenktemperatur.

Sinnvolle Dämmung bleibt die Energieeffizienzmaßnahme Nr. 1, gefolgt von einer intelligenten Heizungssteuerung.
© tado°
Wann lohnt sich ein smartes Thermostat?
Das Smarte Thermostat amortisiert sich in der Regel in einem Jahr.
Sebastian Zahn (energieheld): Ihr sprecht auf eurer Seite von bis zu 31% Einsparpotential. Welche idealen Bedingungen müssen erfüllt werden um das Potential zu erreichen? Sicherlich spielen dabei die unterschiedlichen Heizungstypen, die Gewohnheiten der Hausbewohner, das Wetter und natürlich die Gebäudedämmung eine entscheidende Rolle.
Christian Deilmann (tado°): Das Einsparpotential ist nicht in jedem Haushalt gleich. Die Gewohnheiten und individuellen Tagesabläufe der Bewohner spielen hierbei eine wesentliche Rolle. Gerade bei einem sehr unregelmäßigen Tagesablauf, der mit klassischen Zeitplänen nicht abzubilden ist, ist tado° extrem wertvoll.
Sebastian Zahn (energieheld): Nach der IPB Mitteilung des Fraunhofer-Instituts von 2013 macht die Abwesenheitserkennung bis zu 24% aus und die Wettervorhersage gestützte Abschaltung, in Zusammenhang mit der Fenstergröße, bis zu 7%. Heißt das nicht, dass diese Einsparungen erst dann wirklich erreicht werden können, wenn das Gebäude modern saniert ist?
Christian Deilmann (tado°): Siehe Antwort oben: Das Einsparpotenzial ist nicht überall gleich. Bei optimalen Bedingungen können jedoch bis zu 31% erreicht werden. Im Vergleich zu anderen
Energieeffizienzmaßnahmen kann man mit tado° bei geringer Investition bereits große Einsparungen erzielen. Das Smarte Thermostat amortisiert sich in der Regel in einem Jahr.
Sebastian Zahn (energieheld): Eine Frage zum Datenschutz. Wie sichert ihr die Daten eurer Kunden?
Christian Deilmann (tado°): Die Gewährleistung der Datensicherheit und des Datenschutzes unserer Kunden besitzt bei tado° höchste Priorität. Deshalb speichert tado° nur das Minimum an Daten, das zur intelligenten Steuerung benötigt wird und löscht alle weiteren Daten.
Für die Übertragung und Sicherung der Daten nutzt tado° modernste Sicherheitstechnologie, die dem heutigen Onlinebanking-Standard entspricht. Alle Daten werden zudem verschlüsselt und anonymisiert.
So heizen wir in Zukunft
In Zukunft werden wir über das Thema Heizen in unserem Alltag nicht mehr nachdenken – es wird einfach passieren und zwar maximal komfortabel und maximal energieeffizient.
Sebastian Zahn (energieheld): Kannst du für uns einmal in die Glaskugel blicken und sagen, wie wir in Zukunft heizen werden und wie es mit dem Internet der Dinge weitergehen wird?
Christian Deilmann (tado°): Wir sind davon überzeugt, dass es allein eine Frage der Zeit ist, bis alle Haushalte eine intelligente Heizungssteuerung haben werden. In Zukunft werden wir über das Thema Heizen in unserem Alltag nicht mehr nachdenken – es wird einfach passieren und zwar maximal komfortabel und maximal energieeffizient.
Je nachdem, wo wir gerade sind oder was wir gerade tun, die Heizung steuert sich automatisch oder wir tun es mit unserer Stimme oder auch per App.
Das Wichtige: Die Heizung richtet sich nach uns. Das lässt sich durch eine intelligente Vernetzung auf die Spitze treiben.
Wer tado° nutzt, kann die ortsabhängige Steuerung auch dafür nutzen, dass die Alarmanlage an und alle Lichter aus sind, wenn keiner zuhause ist. Langfristig werden sich eine Handvoll horizontaler Plattformen und die jeweils besten Lösungen in einzelnen Produktkategorien durchsetzen, um den Verbraucher die smartesten Szenarien für seinen Alltag zu ermöglichen.
Sebastian Zahn (energieheld): Christian, vielen Dank für das Gespräch.
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
Vielen Dank an Christian für das Interview. Ich glaube wir können jetzt besser verstehen, was es heißt in einem Smart Home zu wohnen.
Die schnelle Amortisation des smarten Thermostats, finde ich besonders bemerkenswert. Eine Amortisationszeit von einem Jahr ist natürlich nur möglich, da das System im Verhältnis zu anderen Energieeffizienz-Lösungen besonders günstig ist.
Kritisch zu hinterfragen ist das angegeben Einsparpotential von 31%, da es stark von den jeweiligen Tagesabläufen und Gewohnheiten abhängig ist.
Den Konkurrenten Nest von Google sieht Christian weniger als Bedrohung, als Beweis hebt er die hohe Kompatibilität von tado° für 95% der Heizungssysteme im europäischen Markt hervor.
In der Vergangenheit wurden Smart Home System eher als Spielzeuge betrachtet. Doch mit der Zeit konnten sich Lösungen etablieren, die beachtliche Energieeffizienzmaßnahmen ermöglichen. tado° ist hierfür ein gutes Beispiel. Wir sagen weiter so! Und wünschen dem Unternehmen aus München weiterhin viel Erfolg.
Medienverzeichnis:
Diverse Bilder im Interview von TADO GmbH zur Verfügung gestellt.