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Interview: Bernhard Herrmann, MdB

In unserer Interview-Reihe „Energieheld fragt – Experten antworten“ tauschen wir uns regelmäßig mit Experten aus den unterschiedlichsten Bereichen über die Themen Energieeffizienz und Nachhaltigkeit aus. Dabei wird unter anderem über wichtige Punkte zur aktuellen energiepolitischen Lage, über den alltäglichen Umgang mit Energie und effiziente Technologien und deren Nutzen gesprochen.

In dieser Reihe erhalten Sie aktuelle Einblicke von Bloggern, Politikern und Unternehmern rund um die Themen Energieeffizienz und erneuerbare Energien.

Zu Gast im Interview bei Energieheld: Bernhard Herrmann, MdB (Bündnis 90/ Die Grünen)

Viele junge Menschen übernehmen Verantwortung für eine lebenswerte Zukunft, in Beruf und Gesellschaft.

Immanuel Grätz (energieheld): Sehr geehrter Herr Herrmann, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, unsere Fragen in diesem Interview zu beantworten. Sie beschäftigen sich schon lange mit den Problemen des Klimawandels, aber auch mit den Lösungen, die sich für dieses Problem anbieten.

Von Beruf her sind Sie Baufacharbeiter und haben nach Ihrem Wehrdienst Ihr Studium zum Diplom-Wasserbauingenieur an der Technischen Universität in Dresden abgeschlossen.

Was hat Sie damals zu Ihrem Studium als Wasserbauingenieur bewegt und wie hat Ihr politischer und Ihr beruflicher Werdegang Sie auf Ihre Rolle als Bundestagsabgeordneten vorbereitet?

Bernhard Herrmann, MdB: Mein Studium zum Diplom-Wasserbauingenieur schloss sich meiner vorangegangenen Ausbildung als Facharbeiter für Wasserbautechnik an. Später habe ich ein selbstständiges Ingenieurbüro aufgebaut und geleitet, dabei habe ich über 25 Jahre mit verschiedenen Partnerinnen und Partnern zusammengearbeitet.

In dieser Zeit konnte ich meine Verhandlungskompetenz und mein Durchhaltevermögen stärken und habe gelernt, ein motiviertes Team zu leiten. Als Projektleiter kam ich immer wieder mit den Folgen der Klimakrise in Berührung, wie beispielsweise das Extremhochwasser an der Elbe und in ganz Sachsen von 2002.

Der Klimaschutz hat das Potenzial, ein wirksames und aktives Gegenmittel gegen solche Klimakatastrophen zu sein, besonders durch die Nutzung von erneuerbaren Energien.

Bündnis 90/ Die Grünen Logo | © Bündnis 90/ Die Grünen / gruene.de

Klimabewusstsein der Öffentlichkeit

Mir ist es ein starkes Anliegen, die Aufmerksamkeit für die Verbindung von Klimakrise und sozialer Gerechtigkeit zu stärken, denn am härtesten betroffen von den Krisenfolgen sind die ohnehin schon Schwächsten.

energieheld: Sie haben sich als Jugendlicher schon in den 1970er und -80er Jahren politisch organisiert und konnten bereits damals feststellen, dass Wissenschaftler auf die Probleme des Klimawandels und dessen Auswirkungen auf die Umwelt aufmerksam machten.

Seit dieser Zeit hat sich das Klimabewusstsein der Bevölkerung stark geändert. Empfinden Sie diesen Gesinnungswandel als schnell genug und für welche Themen sollte es mehr Aufmerksamkeit geben?

Bernhard Herrmann, MdB: Natürlich geht mir der Bewusstseinswandel nicht schnell genug. Daraus müssten aber vor allem auch Taten folgen, viel konsequenter als bisher. Ich habe den Eindruck, dass vor dem Hintergrund anderer Krisen die Klimakrise gerade zunehmend aus dem Fokus gerät. Und das, obwohl wir die Folgen gerade jetzt immer stärker spüren. Dieser Sommer war der heißeste, dieses Jahr wird wohl das wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen. Mir ist es ein starkes Anliegen, die Aufmerksamkeit für die Verbindung von Klimakrise und sozialer Gerechtigkeit zu stärken, denn am härtesten betroffen von den Krisenfolgen sind die ohnehin schon Schwächsten.

energieheld: Heutzutage engagieren sich besonders jüngere Bürger immer mehr für den Schutz von Klima und Umwelt.

Wie schätzen Sie den Einfluss dieser Bewegung ein und welche Hoffnung haben Sie diesbezüglich für die Zukunft?

Bernhard Herrmann, MdB: Die junge Klimabewegung war der Anstoß für einen positiven Bewusstseinswandel in den letzten Jahren. Ich setze weiter große Hoffnung darein, dass ihr Einfluss anhält und wieder stärker wirkt.

Viele junge Menschen übernehmen Verantwortung für eine lebenswerte Zukunft, in Beruf und Gesellschaft.

energieheld: In den letzten Jahren war ein größerer Wandel der öffentlichen Meinung in Bezug auf den Klimawandel festzustellen. Dennoch scheint die Skepsis gegenüber erneuerbaren Technologien wie Wärmepumpen, trotz attraktiver Fördermöglichkeiten noch hoch zu sein.

Welche Verantwortung hat die Regierung Ihrer Meinung nach, die Öffentlichkeit über solche Technologien besser aufzuklären?

Bernhard Herrmann, MdB: Es ist unser aller Verantwortung, sachgerecht über hilfreiche technologische Optionen zu reden, zu kommunizieren ganz allgemein. Denn, wenn das nur Wenige tun, werden sie schnell von Negativkampagnen übertönt. Das haben wir gerade beim Gebäudeenergiegesetz sehr deutlich gesehen.


Klimaziele der Regierung

Es gibt noch viele lohnende Ziele, die es zu erreichen gilt, um die Umwelt zu schützen.

energieheld: Momentan wird in den Medien und in der Öffentlichkeit stark darüber debattiert, ob der Kohleausstieg bis 2030 und das Erreichen der Klimaneutralität bis 2045 überhaupt möglich sind. Sie setzen sich für mehrere Lösungen, wie etwa die verstärkte Nutzung von effizienten Heiztechnologien und die vollständige Umstellung unseres Energiesystems auf Erneuerbare Energien ein.

Ist die Energiewende Ihrer Meinung nach mit dem aktuellen Kurs unserer Regierung umsetzbar oder muss an einigen Stellen noch nachgeholfen werden?

Bernhard Herrmann, MdB: Natürlich muss an vielen Stellen noch nachgeholfen werden. Vor allem mit deutlich mehr Augenmerk auf Effizienz und sozial gerechte Ausgestaltung des letztlich für alle Gewinn bringenden Wandels. Dafür braucht es aber ein Verständnis von Haushalts- und Finanzpolitik, das den Wert von Investitionen erkennt und berücksichtigt.

energieheld: Angenommen, Deutschland schafft es, bis 2045 klimaneutral zu werden – Gäbe es trotzdem noch weitere Ziele zur Verbesserung der Energieeffizienz unserer Gesellschaft und zum Schutz der Umwelt?

Bernhard Herrmann, MdB: Ja, besonders aus Umweltschutzaspekten, da wir derzeit planetare Grenzen in vielen Sektoren überschreiten. Das betrifft nicht nur die Erderwärmung, sondern auch andere Bereiche, wie etwa die Biodiversität und die Versauerung der Meere. Es gibt noch viele lohnende Ziele, die es zu erreichen gilt, um die Umwelt zu schützen.

Die Reichstagskuppel in Berlin | © icke_63 / pixabay.com

Die Energiewende in Ostdeutschland

Die Energiewende ist ein komplexes, aber auch umsetzbares und auf jeden Fall hoch lohnendes Projekt.

energieheld: Auf Ihrer Webseite meinen Sie, dass der Kohleausstieg beschleunigt werden muss und erneuerbare Energien schneller ausgebaut werden sollten.

Ist dies noch vor 2030 wirklich möglich, welche Maßnahmen müssen umgesetzt werden, damit dieses Ziel erreichbar ist und welche Rolle kann Ostdeutschland dabei spielen?

Bernhard Herrmann, MdB: Dieses Ziel ist erreichbar, wenn die Dynamik zum beschleunigten EE-Ausbau beibehalten wird. Marktgetrieben wird der Kohleausstieg ohnehin früher als erwartet kommen. Wir müssen deshalb deutlich schneller mit dem Ausbau der Erneuerbaren, der Anpassung der Netze und dem Speicherausbau vorankommen. Ostdeutschland ist dafür an vielen Stellen bereits gut aufgestellt. Aber gerade jetzt und gerade hier dürfen wir nicht aus falsch verstandenem Sparzwang Zukunftsinvestitionen vernachlässigen.

energieheld: Mit den zwei geplanten Fabriken für neue Keramik-Feststoffbatterien im Industriepark „Schwarze Pumpe“ und mit der Inbetriebnahme des ersten deutschen Wasserstoffkraftwerks in Leipzig, hat Ostdeutschland das Potenzial, eine wichtige Rolle in der deutschen Energiewende einzunehmen.

Welche weiteren Maßnahmen sind nötig, um den Wandel von fossilen Brennstoffen hin zu erneuerbaren Energien erfolgreich umzusetzen?

Bernhard Herrmann, MdB: Wie bereits erwähnt, ist der Netzausbau zusammen mit intelligenten Stromnetzen (smart grids), der Hebung von vorhandenen Potenzialen und der Sektorenkopplung essenziell.

Die Energiewende ist ein komplexes, aber auch umsetzbares und auf jeden Fall hoch lohnendes Projekt.


Die Zukunft der Energiewende

Die Klimawende hin zu einer sozial gerechten, auch in 50 Jahren noch lebenswerten Welt ist ein lohnendes gesamtgesellschaftliches Projekt!

energieheld: Wie hat sich Ihre Perspektive auf die Energiewende während Ihrer Zeit als Bundestagsabgeordneter geändert und auf welche Errungenschaft der Grünen im Bundestag sind Sie am meisten stolz?

Bernhard Herrmann, MdB: Meine Perspektive hat sich eher bestätigt: Es ist wichtig, politische Ansätze auf allen Ebenen, von der Gemeinde über das Land und den Bund bis hin zur europäischen Ebene, in Zusammenhang zu betrachten.

Besonders stolz bin ich darauf, dass der Eigenverbrauch von Solarstrom in Vororten jetzt auch mit weniger bürokratischen Aufwand auf Stadthäusern möglich ist. Und selbstverständlich freue ich mich darüber, dass wir endlich den Atomausstieg erfolgreich vollendet haben!

energieheld: Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für dieses Interview genommen haben. Zum Abschluss eine letzte Frage an Sie:

Auch wenn es nicht leicht wird, kann die Energiewende erfolgreich umgesetzt werden. In welcher Verantwortung sehen Sie dabei Einzelpersonen und was würden Sie unseren Lesern empfehlen, um selbst einen Beitrag zur erfolgreichen Energiewende zu leisten?

Bernhard Herrmann, MdB: Eigentlich will ich keine Empfehlung abgeben. Ich bin überzeugt von der Mündigkeit der Einzelnen. Individuelles, klimabewusstes Verhalten ist natürlich wichtig, aber ich möchte ausdrücklich dazu ermutigen, auch durch politisches Verhalten die Rahmenbedingungen mitzuprägen. Die Klimawende hin zu einer sozial gerechten, auch in 50 Jahren noch lebenswerten Welt ist ein lohnendes gesamtgesellschaftliches Projekt!

Titelbild: Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag © S. Kaminski | Bernhard Herrmann, MdB

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