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Interview: Dr. Christine Wörlen (Arepo Consult)

In der Blog-Reihe energieheld fragt – Experten antworten, interviewt energieheld regelmäßig Experten aus den verschiedensten Bereichen. Diverse wichtige Punkte zur Technik, zum alltäglichen Umgang mit Energie oder zur aktuellen energiepolitischen Lage werden angesprochen. In der Reihe kommen Blogger, Politiker, Unternehmen, Prominente und viele mehr zu Wort.

Zu Gast: Frau Dr. Christine Wörlen

Frau Wörlen hat im Jahre 2009 das Unternehmen Arepo GmbH in Berlin gegründet, ein unabhängiges Forschungs- und Beratungsunternehmen, das sich auf die Themen der erneuerbaren Energien, der Energieeffizienz und der Klimapolitik konzentriert. 12 Jahre zuvor absolvierte sie Ihr Studium der Geo-Ökologie und der Wirtschaft an der Universität Bayreuth. Ihren Dr. Titel erwarb sie an der Boston University, unter anderem zum Thema erneuerbare Energien. 

Hallo Frau Wörlen, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, unsere Fragen zu beantworten.

Sie können das Interview mit Frau Wörlen auch im Video Format ansehen:


Thema: Frau Dr. Christine Wörlen

Ich beschäftige mich schon seit meiner Schulzeit mit dem Umweltschutz. Ich habe auch Geo-Ökologie studiert, also Umweltnaturwissenschaften, dann aber festgestellt, dass man mit Naturwissenschaften alleine die Welt nicht rettet.

Carlo Förster (energieheld): Welche Bedeutung haben die Themen Umweltschutz, Klimawandel und Nachhaltigkeit für Sie und seit wann beschäftigen Sie sich schon damit?

Frau Wörlen: Diese Themen sind mir sehr wichtig. Ich beschäftige mich schon seit meiner Schulzeit mit dem Umweltschutz. Ich habe auch Geo-Ökologie studiert, also Umweltnaturwissenschaften, dann aber festgestellt, dass man mit Naturwissenschaften alleine die Welt nicht rettet. Deswegen habe ich auch noch Volkswirtschaftslehre dazu studiert. Ich habe mich dann im politischen Raum damit beschäftigt. Promoviert habe ich über den Ausbau der Erneuerbaren Energien. Später habe ich beim Deutschen Bundestag gearbeitet, bei der Deutschen Energieagentur (dena) und seit 2009 auch in meinem eigenen Unternehmen.

energieheld: In Ihrem Lebenslauf ist der Klimaschutz als zentraler roter Faden auf den ersten Blick zu erkennen. Wann wurde Ihnen klar, dass Sie Ihr eigenes Unternehmen in diesem Bereich gründen wollen?

Frau Dr. Christine Wörlen | Arepo GmbH © arepoconsult.com

Frau Wörlen: Meine verschiedenen Stationen, beim Bundestag, bei der Weltbank oder auch bei der dena, haben mir eines verdeutlicht. Und zwar, dass es eine Gruppe von Leuten gibt, wie Berater, Politikberater, Analysten oder Leute wie das Ökoinstitut, die für die Entscheidungsträger sehr wichtig sind. Denn sie analysieren die Grundlagen. Sie untersuchen, welche Fakten, welche Daten, welche Zahlen ausschlaggebend dafür sind, was in der Zukunft gemacht werden sollte.

Ich bin bei der Weltbank insbesondere mit der Modalität der Evaluation vertraut gemacht worden. Die Evaluation schaut sich an, was in Projekten, Programmen und Politiken passiert ist. Hat es funktioniert? Hat es nicht funktioniert? Was waren die ausschlaggebenden Faktoren? Das ist unser Hauptmodus bei AREPO. Wir sind evidenzbasierte Politikberater. Das Modell war relativ erfolgreich. Wir haben jetzt eine etwas größere Firma, weil wir mehr Anfragen bekommen haben, als eine einzelne Person abarbeiten kann. Deshalb habe ich mir Kollegen dazu geholt, die mich unterstützen.

energieheld: Welche Rolle messen Sie persönlich der Sanierung von Bestandsgebäuden für die Umsetzung der nationalen und internationalen Klimaziele bei?

Frau Wörlen: In Deutschland wird ein großer Anteil der Treibhausgase aus Bestandsgebäuden ausgestoßen. Dieser Anteil muss deutlich reduziert werden. Das geht natürlich einerseits durch den Austausch von Heizungen. Der wird andererseits dadurch erleichtert, dass man versucht, den Energiebedarf des Hauses nach untern zu drücken, um mit einer weniger kostspieligen Heizung das Haus trotzdem warmhalten zu können.

Wir haben leider in dem Bereich in der Vergangenheit in Deutschland deutlich zu wenig getan. Wir werden unserer Klimaziele vermutlich wieder nicht erreichen. Auch im Jahr 2023 sieht es noch schlecht aus. Wir müssen unbedingt diesen schlafenden Riesen der Energiewende lostreten und hier sehr schnell aktiv werden.


Thema: Arepo GmbH

Das zukünftige Energiesystem wird sehr viel stärker Sektor gekoppelt sein. D. h., was wir heute noch an Direktverbrennungsprozessen in Wärme und Verkehr haben, wird in 15 bis 20 Jahren fast vollständig auf Strom umgestellt werden.

energieheld: Wir sind schon kurz auf Ihr Unternehmen Arepo GmbH eingegangen. Arepo steht für „All on Renewable energy and energy Efficiency Policy”. Was macht Arepo und welche Vision verfolgen Sie mit dem Unternehmen?

Frau Wörlen: Es steht für “All on Renewable Energy and Energy Efficiency Policy”, aber wie oben angesprochen, ist der Hauptfokus bei uns erstmal die Analyse. Wir analysieren, was funktioniert hat. Was hat nicht funktioniert? Und welche Faktoren könnte man für die Zukunft verstärken, sodass wir bessere Politiken, Programme und Projekte durchführen.

Zusätzlich zur Evaluation machen wir auch Politikberatung. Aber auch das immer evidenzbasiert. Das heißt wir schauen nach Daten, nach Evidenzen, nach Grundlagen für Entscheidungen. Ein Beispiel in Bezug auf Zahlen: Wie viele Personen, wie viele Anstellungsverhältnisse wären betroffen, bei einem Braunkohleausstieg, oder bei der Umstellung auf die Elektromobilität? Wie viel Strom brauchen wir für die Umstellung auf die Elektromobilität? Wie hoch sind unsere Netzentgelte und ist das gut begründet? Solche Sachen geben unsere Auftraggeber uns als Recherche und Beratungsauftrag. Wir suchen dann Daten, legen dar, wie gut die Datenlage ist, analysieren die Datenlage und geben auf der Basis Empfehlungen dafür, wie die Politiken in der Zukunft ausgestaltet werden könnten.

Logo von Arepo Consult | Arepo GmbH © arepoconsult.com

energieheld: Was ist das spannendste Projekt, an dem die Arepo GmbH momentan arbeitet?

Frau Wörlen: Unser spannendstes Projekt im Moment ist eine Beratung für das Bundesland Sachsen. Das Bundesland Sachsen hat uns gebeten, drei Szenarien zu berechnen. Wie sähen Sektorziele aus, wenn sie sich am aktuellen Klimaschutzgesetz der Bundesregierung orientieren würden? Wie sähen Sektorziele für Sachsen nach der aktuellen Trend-Fortschreibung aus? Und das dritte Szenario ist: Wie könnte man Sektorziele gestalten, die dem Paris Ziel entsprechen. Das Spannende daran ist, dass sie da das sogenannte Kohlenstoffbudget zur Grundlage legen wollen. Also wie viel Emissionen kann jeder Deutsche noch emittieren, bis deutschlandweit ein gerechter Anteil an dem globalen CO2, was noch ausgestoßen werden darf, erreicht wird. Das ist sehr ambitioniert, denn diese Ziele sind sehr knapp. Ich finde es deswegen besonders spannend, weil das Bundesland sagt: “Hier sehen wir einmal, was wir noch tun müssten.” Wir beschweren uns immer, dass wir so viel tun, aber tatsächlich tun wir eigentlich noch nicht genug.

energieheld: Auf Ihrer Website schreiben Sie, dass Arepo davon ausgeht, dass sich das Energiesystem in den kommenden Jahrzehnten stark verändern wird, vor allem in den Dimensionen Dekarbonisierung, Dezentralisierung und Diversifizierung. Können Sie Ihre aktuelle Vorstellung des Energiesystems und des Energiemarktes in 20 Jahren kurz mit uns teilen?

Frau Wörlen: Das zukünftige Energiesystem wird sehr viel stärker Sektor gekoppelt sein. D. h., was wir heute noch an Direktverbrennungsprozessen in Wärme und Verkehr haben, wird in 15 bis 20 Jahren fast vollständig auf Strom umgestellt werden. Warum auf Strom? Bei Strom wissen wir, was die dekarbonisierte Lösung ist, aber wir haben momentan fast keine CO2 freien Brennstoffe für Hauswärme oder für Verkehr. Im Verkehrsbereich wird es vielleicht ein bisschen Wasserstoff geben. Es wird im Moment auch für den Schwerlastverkehr oder für den Zugverkehr als Lösung diskutiert, aber auch dort wird das meiste elektrifiziert werden. Das bedeutet, dass wir auch unserer Verteilnetze etwas auf-fitten müssen. Auch die Mess- und Zählertechnik sowie die Systemstabilisierungstechnik werden wir digitalisieren müssen.

Wir werden alle viel mehr mit Apps arbeiten. Wir werden auch viel besseren Überblick über unsere Verbräuche und Energiekosten haben, und darüber, wie wir eingreifen können in unsere Energiekosten. Ich glaube, das System wird sehr viel demokratischer werden, weil jeder viel mehr Einfluss über sein persönliches Energieverbrauchsverhalten hat. Und ich hoffe, dass möglichst viele Leute das dann auch nutzen werden.

energieheld: 2021 haben Sie für den Ökostrom Anbieter Lichtblick ein Gutachten zum Thema “Klimaneutral leben 2035” erstellt. Darin geht es um die notwendigen politischen Maßnahmen, die zur Erfüllung der Klimaneutralität notwendig sind. Haben Sie zum Abschluss noch ein paar Tipps und Hinweise dazu, wie jede einzelne Person am besten Ihren Teil zum Erhalt der Umwelt beitragen kann?

Illustration „CO2 neutral“ | geralt © pixabay.com

Frau Wörlen: Ja, das war eine sehr interessante Studie damals, die uns die Gelegenheit gegeben hat, darüber nachzudenken, wie das Leben des Einzelnen in einer klimaneutralen Welt aussieht. Wir haben festgestellt, die sieht gar nicht so viel anders aus für jeden Einzelnen. Wir werden das gleiche Level an Komfort erleben können, wie heute. Es wäre ohne Weiteres möglich, und sogar auch ohne furchtbar großen Investitionsaufwand. Es wird neben den strombasierten Technologien in der Wärme auch die vermehrte Nutzung von Abwärme geben. Ein sehr interessantes Konzept, das zur Zeit tiefer erforscht wird. Zudem wird es die Möglichkeiten geben, weniger motorisierten Individualverkehr zu nutzen und mehr öffentlichen Nahverkehr auch in ländlichen Räumen. Es gibt einen dritten Punkt, der dafür aber notwendig ist, und den ich jedem ans Herz legen möchte. Das ist, sich zu überlegen, ob er oder sie sich persönlich engagieren möchte. Vieles davon wird davon abhängen, wie unsere Kommunen reagieren, wie unsere Kommunen mit der Herausforderung des Klimawandels umgehen können und auch mit der Herausforderung des Klimaschutzes. Und es steht ja jedem frei, sich kommunalpolitisch zu engagieren. Dazu kann ich eigentlich nur aufrufen. Das ist die Ebene, auf der jede und jeder Einfluss nehmen kann.


Fazit

Um die Klimaziele und eine erfolgreiche Klimawende zu erreichen, muss noch viel passieren. Unternehmen wie Arepo Consult leisten einen wichtigen Beitrag. Das Unternehmen aus Berlin stellt evidenzbasierte und datenbasierte Entscheidungsgrundlagen zur Verfügung. Welche Projekte, Politiken und Maßnahmen der Vergangenheit haben Ergebnisse erzielt? Welche nicht? Welche Schlussfolgerungen können wir daraus für die Zukunft ziehen? Es gibt viele Stellschrauben, an denen die Politik drehen kann. Eine wichtige davon ist die Sanierung von Bestandsgebäuden. In diesem Bereich liegt ein enorm großes Energieeinsparpotenzial. Aber auch alle Privatpersonen können Verantwortung übernehmen und sich in ihrem Rahmen richtig verhalten und politisch engagieren. Zusammen können wir viel Positives bewegen.

Bildverzeichnis
Titelbild: pixabay.com @ geralt | Eine Weltkugel

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