Arnold Drewer Vom IpeG Bei Energieheld Im Interview

Interview: Arnold Drewer

In der Blog-Reihe energieheld fragtExperten antworten, interviewt energieheld regelmäßig Experten aus den verschiedensten Bereichen. Diverse wichtige Punkte zur Technik, zum alltäglichen Umgang mit Energie oder zur aktuellen energiepolitischen Lage werden angesprochen. Anschließend wird ein Ausblick auf Trends sowie Tipps gegeben, wie im Alltag etwas für die Umwelt getan werden kann. In der Reihe kommen Blogger, Politiker, Unternehmen, Prominente und viele mehr zu Wort.

Zu Gast: Arnold Drewer

Arnold Drewer ist Geschäftsführer des unabhängigen IpeG-Instituts, das Kompetenzzentrum für energetische Gebäudesanierung. Er ist dort seit 25 Jahren ausführend, beratend und entwickelnd im Bereich der nachträglichen Wärmedämmung tätig. Außerdem ist er einer der Autoren des Buches:  „Wärmedämmstoffe – Kompass zur Auswahl und Anwendung“. Im letzten Jahr hatte Arnold Drewer sich bereits 100 Fragen von energieheld zur Gebäudesanierung und erneuerbaren Energien gestellt – nun gehen wir ein wenig mehr ins Detail. Die Fragen beziehen sich hauptsächlich auf das Thema Ökologie von Dämmstoffen.

energieheld: Hallo Herr Drewer, danke dass Sie sich für uns Zeit genommen haben. Sagen wir, ich möchte dieses Jahr die Fassade von meinem gemauerten Einfamilienhaus, Baujahr 1963, von außen dämmen. Auf welche Eigenschaften sollte ich bei der Wahl eines Dämmstoffes achten?

Arnold Drewer: Vorher sollte überprüft werden, ob es sich um ein „zweischaliges Mauerwerk“ handelt. In dem Fall muss erst die Hohlschicht ausgeblasen werden, danach kann eine Außendämmung erfolgen. Grundsätzlich gilt: Die Dämm-Konstruktion sollte möglichst gut sein. D.h., entweder einen sehr guten Dämmstoff (was die Dämm-Eigenschaften angeht), oder/und besonders dick.

energieheld: Welche Eigenschaft eines Dämmstoffes ist Ihrer Meinung nach die wichtigste?

Arnold Drewer: Die Dämmeigenschaft


Thema: Ökologie von Dämmstoffen

„Für mich sind alle Dämmstoffe per se ,ökologisch‘.“

energieheld: Was genau ist mit der Bezeichnung „ökologisch“ für Dämmstoffe überhaupt gemeint?

Arnold Drewer: Es gibt unterschiedliche Ansichten. Einige Personen meinen, dass der Rohstoff auf dem Acker entstanden sein sollte (z.B. Flachs oder Hanf). Andere verstehen darunter, dass der Dämmstoff rein mineralisch sein soll (z.B. Mineralwolle, Perlite). Andere verstehen darunter, dass der Dämmstoff problemlos zu entsorgen sein soll (auch Perlite, SLS20). Andere wiederum verstehen darunter, dass der Dämmstoff keine giftigen Gase emittieren soll. Kurzum: Es gibt keine einheitliche Definition darüber, was „ökologisch“ eigentlich bedeutet. Für mich sind alle Dämmstoffe per se „ökologisch“, weil sie nämlich der Energieeinsparung und damit der Ressourcenschonung und dem Klimaschutz dienen.

energieheld: Wie „ökologisch“ kann – in Anbetracht der Herstellung – ein Dämmstoff sein?

Arnold Drewer: Alle Dämmstoffe sind ökologisch. Es gibt Produkte, die einen sehr hohen Primärenergiebedarf (bei der Herstellung) haben. Calciumsilikat und Holzwolle-Leichtbauplatten. Diese werden jedoch nur sehr selten als „Dämmstoff“ eingesetzt. Sie haben andere positive Eigenschaften.


Thema: Eigenschaften ökologischer Dämmstoffe

„[Bei] Naturdämmstoffe[n] sind die Dämmeigenschaften nicht besonders gut.“

energieheld: Wie sind der Wärmeschutz bzw. die Dämmeigenschaften von ökologischen Dämmstoffen im Vergleich zu konventionellen Dämmstoffen?

Arnold Drewer: Wenn ich unter „ökologisch“ die Naturdämmstoffe verstehe, sind die Dämmeigenschaften (der Lambda-Wert) nicht besonders gut. (Anm. d. Red.: Neptutherm z.B., der einzige Dämmstoff ohne irgendwelche Zusatzstoffe, hat einen Lambda-Rechenwert von 0,045 W.)

energieheld: Und welcher Dämmstoff ist der ökologischste für eine Einblasdämmung? Kann man hier eine konkrete Aussage treffen?

Arnold Drewer: Zellulose z.B. ist ein Recycling-Produkt. Es hilft, den Müllberg zu verkleinern (durch „downcycling“ von Zeitungspapier) und hat einen sehr niedrigen Primärenergiegehalt (das Rohprodukt „Zeitung“ war ja schon vorher vorhanden und wurde nur umgewandelt)

energieheld: Das Dämmmaterial Wiesengras bzw. Seegras klingt schon sehr „ökologisch“. Wie aber sieht es mit den Dämmeigenschaften und dem Brandverhalten aus?

Arnold Drewer: Wiesengras hat keine bauaufsichtliche Zulassung mehr. Seegras (aus der Ostsee) hat immer noch keine Zulassung. Einzig die Neptunballfasern („Neptutherm“) hat eine Zulassung und kann daher problemlos eingebaut werden. Es hat dieselbe Brandklasse wie Holz (B2) und darf daher problemlos bei Privatgebäuden eingesetzt werden. Die Dämm-Eigenschaft ist etwas schlechter als die von Zellulose (letzteres hat die WLS 040, Neptutherm die WLS 045)


Thema: Nachteile ökologischer Dämmstoffe

„Naturnahe Dämmstoffe wie Flachs, Hanf oder Zellulose […] sind als ,schwach wassergefährdend‘ eingestuft.“

Hier sehen Sie Flachs, ein ökologischer Dämmstoff.

Flachs ist ein naturnaher Dämmstoff.
© Gerhard Seybert / fotolia.com

energieheld: Viele Verbraucher machen sich bei  der Wahl des Dämmmaterials selten Gedanken um die spätere Entsorgung. Wie sieht diese bei konventionellen und naturnahen Dämmstoffen jeweils aus?

Arnold Drewer: Mineralische Produkte können problemlos als Bauschutt entsorgt werden. Naturnahe Dämmstoffe wie Flachs, Hanf oder Zellulose enthalten als Brandschutzmittel Borsalz bzw. Borsäure. Diese sind als „schwach wassergefährdend“ eingestuft und benötigen daher spezielle Deponien.

energieheld: Was sagen Sie zu der These einiger Kritiker, dass sich aus Dämmstoffen Biozide durch Feuchtigkeit vom Mauerwerk lösen und chemische und biologische Stoffe somit ins Grundwasser gelangen können? Wie hoch sind diese Auswaschungen?

Arnold Drewer: Jeder Hersteller hat inzwischen Putze im Programm, die keine Biozide enthalten. Diese sollte man einsetzen.

energieheld: Stichwort Flammschutzmittel und Brandschutzmittel: Wie sind Stoffe wie z.B. HBCD in Styropor (EPS), TCPP in Polyurethan (PUR), Borax oder Borate in Holzfaserdämmstoffen wie Holzfasermatten oder Zellulose hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf den Menschen bzw. die Umwelt einzustufen?

Arnold Drewer: Das HBCD ist weltweit verboten worden und in Polystyrol seit 1 Jahr nicht mehr eingesetzt. Borsalz/Borsäure gelten als reproduktionstoxisch. Der Verarbeiter muss sich durch geeignete Staubmasken schützen.

energieheld: Sind diese Stoffe überhaupt noch problematisch, wenn sie fachgerecht eingebaut sind und nicht mehr mit dem Menschen direkt in Berührung kommen?

Arnold Drewer: Nein. Sie sind nicht mehr problematisch, da sie hinter Dampfbremsen, Gips- oder Holzwerkstoffplatten oder dem Mauerwerk eingesetzt werden.

energieheld: In welchen anderen Produkten des täglichen Lebens finden wir eigentlich ähnlich „giftige“ Stoffe?

Arnold Drewer: Aus Brandschutzgründen sind z.B. Stoffe in öffentlichen Gebäuden (Theatervorhänge, sonstige Vorhänge) mit HBCD versetzt. Wenn Laminat brennt, möchte ich nicht gerne im Raum sein. Polstermöbel, Spanplatten usw. enthalten nicht nur Naturstoffe. Die Verkaufsverpackungen von Fleisch, Fisch und Gemüse sind oft aus Polystyrol hergestellt. Künstliche Herzklappen bestehen aus Polyurethan.


Thema: Energiebilanz

„Jeder Dämmstoff [spart] seine Herstellungsenergie ungefähr um den Faktor 100, im Laufe seines Lebens ein.“

energieheld: Wie sieht die Energiebilanz von ökologischen und konventionellen Dämmstoffen im Vergleich aus, wenn der gesamte Produktlebenszyklus (von der Rohstoffgewinnung über die Produktion bis hin zur Distribution, Nutzungsphase, Entsorgung bzw. ggf. Wiederverwertung) einbezogen wird?

Arnold Drewer: Jeder Dämmstoff ist per se „ökologisch“ – da er seine Herstellungsenergie ungefähr um den Faktor 100 „im Laufe seines Lebens“ einspart. Jeder Liter Erdöl, der zur Gewinnung von Dämmstoffen eingesetzt wird, vermeidet bis zu 100 Liter Erdöl, die sonst zur Gebäudeheizung eingesetzt worden wären.

energieheld: Geht eine höhere Dämmleistung, welche eine höhere Energieeinsparung während der Nutzungsphase mit sich bringt, im Allgemeinen auf Kosten der Energiebilanz in anderen Phasen des Produktlebenszyklus?

Arnold Drewer: Das kann man pauschal nicht beantworten


Thema: Finanzierung

„Die Verwendung von Steuergeldern dafür [Sanierungen mit ökologischen Dämmstoffen] halte ich nicht für gerechtfertigt.“

energieheld: Rentiert sich aus wirtschaftlicher Sicht die Wahl eines ökologischen Dämmstoffes?

Arnold Drewer: Mit Ausnahme von Zellulose- und Holzfaser-Einblasdämmstoffen (diese sind preiswerter als herkömmliche Dämmstoffe): nein!

energieheld: Denken Sie Förderinstitutionen wie die KfW sollten Sanierungen mit ökologischen Dämmstoffen besonders stark fördern?

Arnold Drewer: Nein. Wer einer bestimmten Ideologie huldigt (nämlich: „öko gut – konventionell schlecht“), sollte diese selber bezahlen. Die Verwendung von Steuergeldern dafür halte ich nicht für gerechtfertigt.


Thema: Tipps für einen nachhaltigen Alltag

„Tür zu!“

energieheld: Am Ende des Interviews in unserer Interview-Reihe, freuen wir uns immer über fünf Tipps für einen energiesparenden Alltag. Was sind Ihre Tipps?

Arnold Drewer:

  1. Dämmen
  2. Tür zu!
  3. Wäsche nicht in der Wohnung trocknen („Verdampfungsenthalpie“)
  4. Gefriergut im Kühlschrank auftauen („Kristallisationsenthalpie“)
  5. LEDs einbauen und Stand-by vermeiden.

energieheld: Lieber Herr Drewer, haben Sie vielen Dank!

energieheld fragt experten antworten


Fazit

Liebe Leserinnen und Leser,

es gibt viele Möglichkeiten zur Kategorisierung ökologischer Dämmstoffe. Für einige Experten spielt die Herkunft, für andere die Entsorgung eine entscheidende Rolle. Arnold Drewer ist es wichtig zu erwähnen, dass Dämmstoffe an sich, dank ihrer Energieeinsparungsfunktion, ökologisch sind. Daher ist es nicht unerheblich, welche Dämmeigenschaft sie besitzen. Diese schätzt Arnold Drewer bei Naturdämmstoffen nicht so gut ein wie die der künstlichen Dämmstoffe. Finanziell rentiert sich die ökologische Dämmung weniger, doch das sollte auch nicht im Vordergrund stehen. Das Ziel von Energieheld ist es, die Energiewende voranzubringen, doch ist es auch im Hinblick auf die Nachhaltigkeit und den Umweltschutz, nur zu befürworten, wenn die Wahl auf einen Naturdämmstoff fällt.

Stephan Thies

"Für eine erfolgreiche Energie- und Wärmewende ist eine realistische und unabhängige Informationsbereitstellung wichtig. Bei Energieheld ist dies unser tägliches Bestreben."

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