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Interview: Prof. Dr. Volker Quaschning

In der Blog-Reihe energieheld fragt – Experten antworten, interviewt energieheld regelmäßig Experten aus den verschiedensten Bereichen.

Diverse wichtige Punkte zur Technik, zum alltäglichen Umgang mit Energie oder zur aktuellen energiepolitischen Lage werden angesprochen. Anschließend wird ein Ausblick auf Trends sowie Tipps gegeben, wie im Alltag etwas für die Umwelt getan werden kann. In der Reihe kommen Blogger, Politiker, Unternehmen, Prominente und viele mehr zu Wort.

Zu Gast: Prof. Dr. Volker Quaschning

© Silke Reents

Volker Quaschning wurde 1969 in Leonberg bei Stuttgart geboren und wuchs in Frankfurt am Main auf. Er studierte das Fach Elektrotechnik an der Universität Karlsruhe und promovierte anschließend an der Technischen Universität Berlin. Das Thema seiner Doktorarbeit war die „Simulation von Photovoltaiksystemen“.

Seit 2004 ist Herr Quaschning Professor im Bereich Regenerativer Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Berlin. Seine Habilitation verfasste er zum Thema „Szenarien einer klimaverträglichen Energieversorgung für Deutschland“

Neben seiner beeindruckenden akademischen Laufbahn ist Herr Dr. Quaschning schon seit langer Zeit als Verfechter von erneuerbare Energien und dem Klimaschutz im Allgemeinen bekannt. Er informiert und unterhält viele Menschen über diverse Kanäle wie zum Beispiel YouTube, Instagram und seinem eigenen Podcast.

Carlo Förster (energieheld): Sehr geehrter Herr Dr. Quaschning, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für das Gespräch genommen haben. Wir haben bereits vor acht Jahren miteinander gesprochen. In der Zeit ist viel passiert – auch in den Bereichen Klimaschutz und Energiepolitik. Lassen Sie uns direkt hier einsteigen.


Thema: Wahlergebnis der Bundestagswahl 2021 & gesellschaftlicher Wandel

…Klimaschutz hat in dieser Regierung erkennbar einen höheren Stellenwert als bei der Groko. Aus meiner Sicht werden aber auch häufig vorschnell Kompromisse zu Lasten des Klimaschutzes eingegangen…

energieheld: Herr Dr. Quaschning, auf Ihrer Instagram Seite haben Sie am 26. September 2021 ein Foto von sich und Ihrer Frau, Cornelia, gepostet. Dazu schrieben Sie, dass Sie bei der Bundestagswahl 2021 für das Klima gewählt haben und dass die Wahl eine Chance war Parteien abzuwählen, die das Thema Klimaschutz in der Vergangenheit stark vernachlässigt haben. Wir sprechen nun ein paar Monate nach der Wahl und nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen. Sind Sie zufrieden mit dem Wahlergebnis und dem Koalitionsvertrag? 

Dr. Volker Quaschning: Die letzte Regierung war hinsichtlich der Klimaschutzambitionen eine absolute Katastrophe. Die neue Regierung will nun vieles besser machen. Es sind Personen am Start, die im Gegensatz zur letzten Regierung ein wirkliches Interesse haben, beim Klimaschutz voranzukommen. Doch beim Klimaschutz zerrinnt uns die Zeit zwischen den Händen. Wir müssen bereits 2035 klimaneutral sein, wenn wir unseren Beitrag zum Einhalten des Pariser Klimaschutzabkommens leisten wollen. Die Regierung will sich 10 Jahre mehr Zeit lassen und ob das zu schwache Ziel eingehalten werden kann, müssen wir auch noch sehen. Nicht mal während des Ukraine-Kriegs konnte sich die Regierung zu einem Tempolimit durchringen. Dabei könnte man damit sofort täglich Öl im Gegenwert von mehreren Panzern einsparen. Wenn das schon nicht machbar ist, warum sollte es beim Klimaschutz deutlich besser laufen? Nein. Zufrieden bin ich nicht. Aber es hätte schlimmer kommen können.

© Silke Reents

energieheld: In unserem letzten Interview sagten Sie, dass in Deutschland Politiker fehlen, die sich für den Klimaschutz stark machen. Ist diese Aussage in 2022 immer noch aktuell?

Dr. Volker Quaschning: Das Wirtschaftsministerium hat zumindest Pläne für einen schnellen Ausbau der Windkraft und der Photovoltaik vorgelegt – nicht ausreichend für das Pariser Klimaschutzabkommen, aber dennoch recht ambitioniert. Klimaschutz hat in dieser Regierung erkennbar einen höheren Stellenwert als bei der Groko. Aus meiner Sicht werden aber auch häufig vorschnell Kompromisse zu Lasten des Klimaschutzes eingegangen. Bei der Verkehrswende passiert beispielsweise kaum etwas.

energieheld: Die Umweltkatastrophe von Fukushima liegt mittlerweile 11 Jahre in der Vergangenheit. Sie hat in Deutschland das Bewusstsein vieler Menschen für die Dringlichkeit einer Energiewende geschärft. Allgemein ist in dem letzten Jahrzehnt deutlich mehr Streben und auch Akzeptanz für solche Themen in der Gesellschaft zu spüren. Vor allem die jüngere Generation äußert eine sehr hohe Bereitschaft für eine klimaneutrale Gesellschaft einzutreten und zu kämpfen. So wurde z.B. 2018 die Bewegung Fridays for Future von Greta Thunberg ins Leben gerufen. Stimmt Sie diese Entwicklung optimistisch?

Dr. Volker Quaschning: Definitiv. Was Fridays For Future erreicht hat, ist phänomenal. Die jungen Menschen halten der älteren Generation schonungslos den Spiegel vor. Und was die ältere Generation da zu sehen bekommt, ist sehr unschön. Auch Politiker:innen und Manager:innen haben Kinder und suchen nun Antworten auf die Frage „Papa, Mama, was macht ihr eigentlich für unsere Zukunft und den Klimaschutz?“ Es ist viel in Bewegung. Ohne Fridays For Future wären wir heute sicher noch an einem ganz anderen Punkt. Nur reicht das erreichte Tempo für den Klimaschutz immer noch nicht ansatzweise aus. Wir brauchen offenbar noch größeren gesellschaftlichen Druck.


Thema: Klimawende und erneuerbare Energien

…Wir müssen auf die effiziente Wärmepumpe setzen, die den Energiebedarf drastisch reduziert. Die Gebäudesanierung ist natürlich auch wichtig. Jede Kilowattstunde, die wir einsparen, müssen wir nicht mehr importieren oder durch erneuerbare Energien ersetzen…

energieheld: Sie sind Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin. In unserem letzten Gespräch 2014 sprachen Sie von den Entwicklungspotenzialen im Bereich der erneuerbaren Energien, insbesondere im Bereich Photovoltaik. Wurden Ihre Erwartungen rückblickend erfüllt? 

Dr. Volker Quaschning: Hier kann ich nur sagen: Mission completed. Als ich vor rund 30 Jahren angefangen habe, in den erneuerbaren Energien zu arbeiten, war die Photovoltaik die mit Abstand teuerste Art der Energieerzeugung. Inzwischen ist die Photovoltaik am preiswertesten. Das hilft uns weltweit, Tempo bei der Energiewende aufzunehmen. Diese Kostensenkungen werden wir auch zeitnah bei Speichertechnologien erreichen. Dann spricht nichts mehr dagegen, dass wir uns in 10 bis 15 Jahren komplett mit erneuerbaren Energien versorgen. Jetzt müssen wir nur noch die nötigen Mengen ans Netz bringen.

© Nikolas Fahlbusch/HTW Berlin

energieheld: Welche Rolle messen Sie als Experte für erneuerbare Energien der Sanierung von Bestandsgebäuden bei der Energie- und Klimawende bei?

Dr. Volker Quaschning: Bei der Heizung dominieren immer noch die fossilen Energieträger Erdöl und Erdgas. Nun wundern wir uns, dass wir von Importen abhängig sind und die Energiekosten explodieren. Wir haben in Studien schon vor Jahren einen Einbaustopp für Öl- und Gasheizungen dringend empfohlen. Wir müssen auf die effiziente Wärmepumpe setzen, die den Energiebedarf drastisch reduziert. Die Gebäudesanierung ist natürlich auch wichtig. Jede Kilowattstunde, die wir einsparen, müssen wir nicht mehr importieren oder durch erneuerbare Energien ersetzen. Das erleichtert die Energiewende. Die Zahl der Gebäude, die wir in 10 bis 15 Jahren sanieren können, ist allerdings begrenzt. Darum sollte der Heizungstausch die höchste Priorität haben.

energieheld: Wir sprechen ca. zwei Wochen nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine. Die westliche Welt hat auf den Krieg mit einigen Sanktionen gegen Russland reagiert. Gleichzeitig ist Deutschland momentan noch von russischem Gas abhängig. Viele Stimmen fordern nun Schritte in eine energetische Unabhängigkeit Deutschlands. Welche Chancen und Risiken sehen Sie durch diese neue politische Entwicklung?

Dr. Volker Quaschning: Die beschlossenen Sanktionen gegen Russland sind ziemlich armselig, wenn wir weiterhin Milliardenbeträge an Russland für den Import an fossilen Energieträgern ausgeben und somit den Krieg mitfinanzieren. Ein Embargo russischer Energieimporte wäre darum nur konsequent. Natürlich würde unsere Energieversorgung dann spätestens im nächsten Winter rumpeln und die Preise würden noch weiter ansteigen. Den Preis für unsere verfehlte Energiepolitik zahlen jetzt aber die Menschen in der Ukraine. Es bleibt zu hoffen, dass wir nun deutschlandweit diese Fehler erkennen und korrigieren und dass der Schock groß genug war, damit wir den neuen Kurs auch durchhalten. Das heißt: Energiesparen, weniger Autos, keine Benzin- und Dieselautos und keine Öl- und Gasheizungen mehr und so schnell wie möglich den Aufbau einer rein erneuerbaren Energieversorgung. Die alten Muster werden aber schon wieder sichtbar: Jetzt werden Subventionen für fossile Energieträger gefordert und die Regierung sucht sich gerade andere Autokraten aus, von denen wir dann Öl- und Gas beziehen.


Thema: Energierevolution jetzt!

…Noch haben wir eine Chance zu verhindern, unseren Kindern einen völlig zerstörten Planeten zu hinterlassen. Wie das geht, das zeigt unser Buch…

energieheld: Seit Ende Januar 2022 ist Ihr neues Buch “Energierevolution jetzt!” auf dem Markt. Wenn man Ihren Podcast verfolgt hat bekommt man ein Gespür dafür, dass Sie und Ihre Frau sehr viel Zeit, Energie und Herzblut in das Buch gesteckt haben. Worauf können sich interessierte Leser bei der Lektüre einstellen?

© Hanser Literaturverlag

Dr. Volker Quaschning: Wir erleben jetzt schmerzlich, dass wir in den letzten 20 Jahren in Deutschland eine völlig fehlgeleitete Energiepolitik hatten. Dabei ist die jetzige Situation noch nicht einmal der Worst-Case. Das was durch die Klimakrise auf uns zukommt, hat noch einmal eine ganz andere Dimension. Wir zeigen in dem Buch die Risiken auf, die uns drohen, aber auch die Chancen. Mit einer echten Energierevolution kann es gelingen, uns komplett unabhängig von Öl-, Erdgas- und Kohleimporten zu machen und gleichzeitig die Klimakrise zu stoppen. Wir erklären in den Bereichen Verkehr, Fliegen, Heizen, Strom aber auch Ernährung, was alles passieren muss und wie es uns gelingen kann, diese Veränderungen auch durchzusetzen. Noch haben wir eine Chance zu verhindern, unseren Kindern einen völlig zerstörten Planeten zu hinterlassen. Wie das geht, das zeigt unser Buch.

energieheld: Was ist bisher die Resonanz die Sie für das Buch bekommen haben?

Dr. Volker Quaschning: Die Verkaufszahlen sind sehr erfreulich und das Buch hat es in die Spiegel-Bestsellerliste geschafft. Die Rückmeldung sind durch die Bank wahnsinnig positiv. Vereinzelt gibt es auch negative Kommentare, die sich darüber monieren, dass es doch gar keinen Klimawandel gäbe oder dass wir das Klima nur mit der Kernenergie retten könnten. Offenbar haben diese aber gar nicht unser Buch gelesen. Warum beides nicht stimmt, zeigen nämlich gute Argumente und harte Fakten in unserem Buch.

energieheld: Wir hoffen genau wie Sie, dass Ihre Botschaft so viele Hörer und Leser wie möglich erreicht. Was ist Ihre ideale Vorstellung davon, welchen Einfluss das Buch in der öffentlichen Wahrnehmung der Gesellschaft zum Thema Klimaschutz und Energierevolution als auch auf tatsächliche politische und systemische Veränderungen hat?

Dr. Volker Quaschning: Viele Menschen haben den Eindruck, dass für den Klimaschutz schon genug getan wird und wir immer noch so weiter machen können wir bisher. Darum traut sich auch die neue Regierung nicht, die nötigen Maßnahmen zum Einhalten des Pariser Klimaschutzabkommens auf den Weg zu bringen. Deshalb brauchen wir weiterhin eine breite gesellschaftliche Debatte unterfüttert mit guten Argumenten und klaren Fakten. Wir sind sicher, dass wir mit den richtigen Argumenten die nötige Energierevolution durchsetzen können und dass unser Buch einen wichtigen Beitrag dazu leistet.

energieheld: Was kann und sollte jeder einzelne tun, der oder die Teil der Lösung anstatt Teil des Problems sein will?

Dr. Volker Quaschning: Wir müssen in 10 bis 15 Jahren in Deutschland klimaneutral werden, wenn wir die Erderhitzung verhindern wollen. Das bedeutet, dass wir uns alle und unser Land sich verändern müssen. Die eigene Solaranlage dazu können aber nicht alle bauen. Weniger oder gar kein Fleisch mehr essen, nicht mehr in den Urlaub fliegen und weniger Autofahren ist aber für alle machbar. Das sind aber für einige Menschen auch vermeintlich unbequeme Botschaften. Dabei macht uns der hohe Fleischkonsum krank, ein Urlaub kann auch ohne Flugzeug schön sein und unsere Städte werden mit weniger Autos wieder lebenswerter. Wir können alle mit der Energierevolution anfangen, müssen aber gleichzeitig den Druck auf die Politik erhöhen. Die Zukunft unserer Kinder lässt sich nur erhalten, wenn wir die nötigen Regeln für alle etablieren.


Fazit

Liebe Leserinnen und Leser, fast acht Jahre nach unserem letzten Gespräch mit Herr Dr. Quaschning hat sich einiges im öffentlichen Bewusstsein für Klimaschutz und Energieeffizienz getan. Auch in der Politik scheint diese Themen auf der Prioritätenliste aufgestiegen zu sein. Allerdings reichen die aktuellen Maßnahmen, Beschlüsse und Gesetze noch bei weitem nicht aus, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen.

© Janine Escher

Es liegt also an jedem einzelnen von uns, alles in unserer Macht stehende zu tun, um unseren Beitrag zum Klimawandel zu reduzieren. Wie genau das am besten funktioniert beschreibt Herr Dr. Quaschning in seinem aktuellen Buch “Energierevolution jetzt!”. Zudem ist es nötig weiterhin den Druck auf die Politik zu erhöhen und das Thema Klimaschutz in der gesellschaftlichen Wahrnehmung noch präsenter zu machen.

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