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Kann ich mein Haus mit Stroh dämmen?

Die Debatte über Dämmstoff reißt nicht ab und wird durch Gerüchte und Halbwahrheiten schnell unsachlich. Hausbesitzer sind besonders wachsam, wenn es um Brandschutz, Materialkomposition oder Raumklima ihrer Dämmung geht und die Auswahl ist groß.

Der Österreicher Christian Reisenthaler entschloss sich 2007 dazu, sein Haus mit Stroh zu dämmen.

Auf seinem Blog strohblogger.com berichtet er über seine Erfahrung.
 

Darüber sprechen wir im Interview:

Vom Feld ins Haus: Strohballen als Dämmstoff?

Janika Kemmerer (energieheld): Herr Reisenthaler, was ist das größte Missverständnis über Stroh als Dämmstoff?

Christian Reisenthaler (Der Strohblogger): Die meisten Leute glauben, dass unbehandeltes Stroh aufgrund von Brennbarkeit und Schimmelgefahr als Baustoff nicht eingesetzt werden kann. Das ist definitiv falsch, denn Stroh braucht keinerlei Zusätze um all diese Anforderungen erfüllen zu können. Die natürlichen Eigenschaften von Stroh sind so großartig, dass es, wenn es richtig verarbeitet wird, weder ein Brandschutz- noch ein Schimmelproblem gibt. Auch Ungeziefer ist absolut kein Thema, weil Baustroh von Restkornanteilen befreit und so stark gepresst ist, dass es für die Tierwelt nicht attraktiv ist. Stroh ist übrigens schon seit 2008 ein zertifizierter Baustoff und hat seitdem auch die europäisch technische Zulassung (ETA 10/0032).

Janika Kemmerer (energieheld): Wann sind Sie das erste Mal auf Stroh als Alternative zu herkömmlichen Dämmstoffen gestoßen?

Christian Reisenthaler (Der Strohblogger):  Als ich mich 2006 in der Planungsphase für unser Haus erstmals mit verschiedenen Wandaufbauten auseinandergesetzt habe, war ich mit den auf dem Markt befindlichen Varianten nicht zufrieden. Entweder die Wände waren sehr leicht, was meinen Anspruch an Lärmschutz und auch dem Bedürfnis nach etwas Massiven nicht entsprochen hat, oder es handelte sich um Ziegel- und Betonbauweise, was ich aufgrund der längeren Bauzeit nicht wollte. Ein Freund hat mir dann den Tipp gegeben, dass man doch auch mit Stroh bauen könne und er hat mir auch den Film „Stroh im Kopf“ (1. Teil) von Heidi Snel empfohlen.

Janika Kemmerer (energieheld): Wie ist es dazu gekommen, dass Sie sich selbst dazu entschieden haben, ihr Haus mit Stroh zu dämmen?

Christian Reisenthaler (Der Strohblogger): Nachdem wir uns den Film angesehen hatten, hat meine Frau uns zu einer Besichtigungstour für Strohballenhäuser angemeldet. Dabei hatten wir die Gelegenheit mit Bewohnern über deren Erfahrungen zu sprechen und konnten dabei sehen, dass Strohhäuser wirklich funktionieren. Die meisten Häuser waren nicht nur mit Stroh gedämmt, sondern sie hatten dazu noch Lehmputz an den Innenwänden. Diese Kombination ergibt ein fantastisches Raumklima und das hat uns sehr beeindruckt. Das gute Raumklima, die Nachhaltigkeit des Baustoffes und die Möglichkeit sehr schnell und sehr massiv zu bauen, waren auch die zentralen Argumente für unsere Entscheidung. Natürlich war es auch wichtig, dass diese hohe Wohnraumqualität bezahlbar bleibt und das ist bei Stroh, im Gegensatz zu den meisten anderen ökologischen Dämmstoffen, klar der Fall.

Kosten und Eigenschaften der Strohdämmung im Vergleich 

Janika Kemmerer (energieheld): Was macht Stroh als Dämmstoff besonders?

Christian Reisenthaler (Der Strohblogger): Einer der größten Pluspunkte von Stroh ist der Umweltaspekt. Für die Produktion von Stroh wird nur eine minimale Menge an CO2 freigesetzt. Zusätzlich wird auch noch, für die gesamte Lebensspanne eines Hauses, eine Menge CO2 gespeichert. Denn der Weizen am Feld, nimmt während der Wachstumsphase CO2 aus der Atmosphäre auf und lagert es in den Strohhalmen ein. Mit jedem aus Stroh gebauten Einfamilienhauses spart man rund 60 Tonnen CO2, verglichen mit einem Haus in massiver Bauweise. Weil es selbst für zertifiziertes Baustroh keinerlei Zusätze bedarf, gibt es auch später kein Entsorgungsproblem.

Zwei weitere wichtige Umweltaspekte sind auch noch, die regionale Verfügbarkeit und die Tatsache, dass Stroh ein Nebenprodukt der Landwirtschaft ist und somit auch keine zusätzlichen Anbauflächen notwendig sind.

Die sehr guten Dämmeigenschaften von Stroh in Kombination mit feuchtigkeitsregulierenden Lehm, liefert ein wohlig warmes und behagliches Wohngefühl. Ich selber wohne seit mittlerweile 9 Jahren in unserem Strohhaus und darf das täglich erleben. Aufgrund der technischen Weiterentwicklung in den letzten Jahren ist auch die Verarbeitung von Stroh viel einfacher geworden. Zertifizierte Ballen werden heute in verschiedensten Größen angeboten und können damit viel einfacher in Wänden verbaut werden. Auch die ganz neue Einblastechnik eröffnet neue Möglichkeiten für die Komfortable und effiziente Verarbeitung auf der Baustelle.

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Janika Kemmerer (energieheld): Wie teuer ist Stroh im Vergleich zu anderen Dämmstoffen?

Christian Reisenthaler (Der Strohblogger): Wenn ich dazu mein eigenes Haus als Beispiel anführen darf, dann war es nicht teurer, als es mit herkömmlichen Bauweisen gewesen wäre. Der Dämmstoff Stroh ist zwar etwas günstiger, aber aufgrund der höheren Materialdichte war bei unserem Haus etwas mehr Holz notwendig und das hat den Kostenvorteil wieder ausgeglichen. Die höhere Materialdichte schafft aber besseren Lärm- und Hitzeschutz, was für mich schlussendlich auch eine höhere Wohnqualität bedeutet. Das heißt für unser Haus folgendes: Es war zwar nicht billiger, aber wir haben deutlich mehr Qualität für unser Geld bekommen.

Wenn man die später einmal entstehenden Entsorgungskosten auch noch mit einberechnet, ist man mit Stroh sowieso klar im Vorteil – das tun heute aber leider die wenigsten Bauherren. Auch die laufenden Betriebskosten fallen bei einem Strohhaus sehr gering aus. Aufgrund der guten Dämmeigenschaften von Stroh, kann man damit auch sehr leicht Häuser nach Passivhaus-Standard bauen. Für mein eigenes Haus mit 126 m² Wohnfläche zum Beispiel, liegen die jährlichen Heizkosten unter 250€.

Janika Kemmerer (energieheld): Wie genau funktioniert die Dämmung mit Stroh bei einem normalen Einfamilienhaus?

Christian Reisenthaler (Der Strohblogger): Unser Haus wurde in Holzständerbauweise im Werk eines Zimmerers vorgefertigt und auf der Baustelle innerhalb eines Tages aufgestellt. Die Strohballen sind zwischen Holzweichfaser-Platten auf der Außenseite, und Holzplatten auf der Innenseite hermetisch eingeschlossen. Außen hängt noch eine hinterlüftete Lärchenfassade und innen wurde Schilf als Putzträger angebracht um mit Lehm verputzen zu können. Bei einer Holzständerkonstruktion übernehmen Holzelemente alle tragenden Funktionen. Es gibt auch die sogenannte „lasttragende Bauweise“, bei der die Wände lediglich aus Strohballen bestehen und die gesamte Dach-Last von den Strohwänden getragen wird. Auch das ist kein Problem für Stroh, allerdings ist diese Bauweise, vor allem in Deutschland, sehr selten zu finden.

Brandschutz und Schimmel: Gibt es Risiken beim Dämmen mit Stroh?

Janika Kemmerer (energieheld): Stroh ist Naturmaterial und brennt deshalb leichter. Was entgegnen Sie einem Brandschutz-Skeptiker?

Christian Reisenthaler (Der Strohblogger): Das ist ganz einfach: Stroh wird in so stark gepresster Form in Wände eingebaut, dass zu wenig Sauerstoff zum Brennen vorhanden ist. Stroh wird mit einer Rohdichte von über 100 kg/m³ verarbeitet und bei Tests für die Zertifizierung wurde, mit dem richtigen Wandaufbau, sogar eine Feuerwiderstandszeit von über 90 Minuten erreicht. Ich habe genau zu diesem Thema auch schon einmal einen Artikel geschrieben

Janika Kemmerer (energieheld): Muss ich Angst darum haben, dass mir mein Stroh zwischen den Wänden langsam verrottet?

Christian Reisenthaler (Der Strohblogger): Keine Angst, das kann nicht passieren. Denn wenn sichergestellt ist, dass die relative Feuchtigkeit vom Stroh unter 15% liegt und es richtig eingebaut wird, dann hält es 100 Jahre oder länger. Das älteste Strohhaus befindet sich in den USA und wurde 1903 errichtet. Auch in Frankreich wurden nach der Jahrhundertwende zahlreiche Häuser aus Stroh erbaut und die sind heute noch sehr gut erhalten. Wichtig ist dabei, wie übrigens bei allen anderen Baustoffen auch, die fachgereichte Verarbeitung am Bau. Denn Fehler, die meistens durch schlecht qualifiziertes Personal entstehen, rächen sich immer irgendwann. Um die Bauwirtschaft mit ausreichend Strohbau-Fachpersonal zu versorgen, gibt es in Deutschland und Österreich seit dem Vorjahr die Ausbildung zur „Fachkraft Strohballenbau“.

Janika Kemmerer (energieheld): Was muss beim Bau oder der Sanierung mit Stroh besonders beachtet werden?

Christian Reisenthaler (Der Strohblogger):  Das Wichtigste sind die richtigen Partner. Es beginnt damit, dass man sich einen Planer oder Architekten suchen sollte, der im Strohbau schon Referenzen vorweisen kann, am besten welche, die man vielleicht auch gleich besuchen kann. Ein erfahrener Architekt, kann dann auch immer auf erfahrene Betriebe, wie Zimmerer und Holzbaufirmen, zurückgreifen. Mit den richtigen Partnern kann nicht viel schiefgehen. Wenn man sein Haus mit Stroh dämmen möchte, dann sollte man sich auf keinen Fall von seinem Umfeld verunsichern lassen. Auf dem Weg zum Strohhaus wird man mit Sicherheit von allen möglichen Seiten mit den unglaublichsten Schreckensszenarien konfrontiert. Dazu kann ich nur Folgendes sagen: Bei mir hat sich nach fast zehnjährigem Bewohnen unseres Strohhauses wirklich nichts davon bewahrheitet.

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Die Strohdämmung als ökologisches Raumklimawunder?

Janika Kemmerer (energieheld): Die natürlichen Bau- und Dämmmaterialien werden häufig mit einem besonders angenehmen Raumklima beworben. Wie wirkt sich das bei Ihnen zu Hause aus?

Christian Reisenthaler (Der Strohblogger): Durch die größere Materialdichte bietet Stroh vor allem auch einen besseren Hitzeschutz. Das merkt man bei uns sehr gut im Sommer, weil sich unser Haus im Vergleich zu einigen Nachbarn, die ihr Haus mit Zellulose oder Steinwolle gedämmt haben, nicht so schnell aufheizt und das ist schon sehr angenehm. Die hervorragende Luftqualität in unserem Haus möchte ich allerdings nicht alleine der Strohdämmung zuschreiben, denn dazu bedarf es der Kombination mit Lehm. An unseren Innenwänden befinden sich rund acht Tonnen Lehm und das macht sich durch die gute Feuchtigkeitsregulierung bemerkbar. Feuchtigkeit, die beim Kochen oder Duschen entsteht, wird in sehr schnell absorbiert und dann langsam wieder an die Umgebung abgegeben. Vor allem im Winter ist das bei uns bemerkbar, weil wir trotz einer Wohnraumlüftung keine trockene Luft haben. Manche Leute, die gar nicht wissen, wie wir gebaut haben und erstmals zu uns kommen, fragen dann ob hier irgendetwas anders ist, weil sie sich so wohl fühlen.

Janika Kemmerer (energieheld): Eine klimaneutrale Lebensweise ist zentral, um den Klimawandel zu bekämpfen. Wie ökologisch und nachhaltig ist das Dämmen mit Stroh?

Christian Reisenthaler (Der Strohblogger): Mit Stroh kann man doppelt Energiesparen und die Umwelt schützen. Sowohl bei der Errichtung als auch im laufenden Betrieb eines Gebäudes liegt großes Einsparungspotential. Stroh ist ein exzellenter Dämmstoff, mit dem man mühelos den Passivhausstandard erreichen kann. Damit spart man viel Energie im laufenden Betrieb. Weil Häuser heute im Betrieb immer effizienter werden, steigt aber auch die Relevanz der Herstellungsenergie. Wie schon erwähnt ist Stroh nicht nur in der Herstellung fast CO2-neutral, sondern ist zusätzlich noch ein Kohlendioxid-Speicher, weil eine Menge an CO2 den Wänden eingelagert ist. Stroh kann somit sehr viel für eine bessere Ökobilanz von Gebäuden leisten.

Drei wichtige Vorteile beim Dämmmaterial Stroh

Janika Kemmerer (energieheld): Viele Hausbesitzer sind dennoch verunsichert oder haben Vorbehalte gegenüber Stroh als echter Alternative. Welche drei Argumente überzeugen am meisten?

Christian Reisenthaler (Der Strohblogger):

Ich denke jeder, der auf seine Gesundheit achtet, ist mit dem absolut schadstofffreien Baustoff Stroh auf der sicheren Seite. Auch wer sich seinen nächsten Generationen gegenüber verantwortlich fühlt, hat mit Strohdämmung eine nachhaltige und sozusagen „enkeltaugliche“ Variante zur Verfügung, denn mit dieser Lösung entstehen zukünftig ganz sicher keine Entsorgungsprobleme.  Das wichtigste Argument für die Meisten ist sicherlich, dass sich das moderne Strohhaus mittlerweile bewährt hat und man damit echte Qualität zu einem vernünftigen Preis bekommt.

Janika Kemmerer (energieheld): Lieber Herr Reisenthaler, wir danken Ihnen für das spannende Gespräch!

Fazit: Dämmen mit Stroh – Ist das die Zukunft?

Den richtigen Dämmstoff zu finden ist nicht immer leicht und hängt von vielen Faktoren ab. Hinzu kommen noch die berechtigten Fragen zum Brandschutz und Sorgen um die Gesundheit bei chemisch behandelten Dämmmaterialien. Stroh bietet eine spannende Alternative, die allerdings nicht für jeden Hausbesitzer umsetzbar ist.

Auf unserer Website haben wir alles zum Thema Dämmung, den Kosten und verschiedenen Materialien zusammengetragen und aufbereitet. Außerdem haben wir alle Infos über Stroh als Dämmstoff zusammengefasst. Einen ersten Überblick über alle Arten der Dämmung finden Sie hier:

Gebäudeteil nach Priorität Mögliche Dämmung Preis-Leistungs-Verhältnis Kosten samt Montage
Dachboden Geschoss-
deckendämmung
sehr gut 40 € pro m²
Dach   Aufsparren-
dämmung
mittelmäßig 150 € pro m²
Zwischen-
sparrendämmung
gut 50 € pro m²
Unter-
sparrendämmung
gut 30 € pro m²
Fassade   Kerndämmung sehr gut 15 € pro m²
WDVS mittelmäßig 90 – 150 € pro m²
Vorhangfassade mittelmäßig 170 € pro m²
Kellerdecke    Einblasdämmung unten sehr gut 15 – 25 € pro m²
Verbundplatten unten mittelmäßig 50 – 70 € pro m²
von oben (neuer Fußboden) mittelmäßig 70 – 160 € pro m²
Keller (Wände und Boden)   Perimeterdämmung mittelmäßig 40 € pro m²
Erdarbeiten  – 20 – 30 € pro m³
Innendämmung mittelmäßig 80 € pro m²
Kellerbodendämmung mittelmäßig 70 – 160 € pro m²

Stephan Thies

"Für eine erfolgreiche Energie- und Wärmewende ist eine realistische und unabhängige Informationsbereitstellung wichtig. Bei Energieheld ist dies unser tägliches Bestreben."

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